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Vor 43 Tagen

«Das WEMF Paid-Content-Audit ist ein glaubwürdiger Leistungsnachweis»

Collage interview

Seit diesem Jahr bietet die WEMF ein Audit für Paid-Content-Angebote von Medienhäusern an. Einige Verlage haben die Chance genutzt und erstmals ihr rein digitales Angebot auditieren lassen – unter anderem die Freiburger Nachrichten. Im Interview spricht Bruno Zürcher, CMO der Freiburger Nachrichten AG, mit Roland Achermann, Director of Media Audits der WEMF, über die Bedeutung digitaler Medienkanäle.

Guten Tag Bruno Zürcher. Die Freiburger Nachrichten hat als eines der ersten Medienhäuser die Zugriffe auf bezahlte Inhalte von der WEMF auditieren lassen. Warum war es für Sie wichtig, dieses Audit durchzuführen?

Wir standen zum Zeitpunkt der Entscheidung vor einem grossen Digitalprojekt, bei dem wir Website und App komplett neu dachten, um auch rein digital ausgerichtete Zielgruppen ansprechen zu können. Entsprechend war es für uns wichtig, die zukünftige Entwicklung auch im Bereich Paid Content offiziell abbilden und nach aussen kommunizieren zu können.

Und wie sahen die ersten Ergebnisse des Paid-Content-Audits aus, die in diesem Jahr erhoben wurden?

Wir starteten auf Basis unserer alten Plattform. Die neue Plattform wurde nach dem Audit lanciert. Entsprechend sind die Zahlen noch klein. Wir legten in den vergangenen Jahren den digitalen Fokus primär auf die Replicas, also Digitalabonnemente mit E-Paper. Bei den Paid-Content-Zugängen geht es uns um die zukünftige Entwicklung, weshalb wir von Beginn weg beim Audit dabei sein wollten.

Durch das einheitliche Zählen und Nachweisen der bezahlten Zugriffe durch die WEMF entstehen neue Benchmarks. Wie werden Sie diese nutzen?

Wir begrüssen es, dass auch im Bereich der rein digitalen kostenpflichtigen Nutzung eine harte Währung entsteht. Es ist einerseits im lokalen Werbemarkt ein glaubwürdiger Leistungsnachweis. Andererseits hoffen wir, dass auch andere Verlagshäuser aufspringen, damit wir unsere eigene Entwicklung noch besser einordnen können. Schlussendlich können wir die Zahlen auch gegenüber anderen Stakeholdern zielführend einsetzen, sei es an einer Aktionärsversammlung oder in Diskussionen mit Behörden rund um die Medienförderung.

Und welche Strategien planen Sie, um die Zahl der bezahlten Zugriffe in Zukunft weiter zu steigern? 

Wir investieren weiter in unsere neue digitale Präsenz und fahren eine strikte Politik, was die Paywall angeht. Wer Inhalte nutzen will, die durch unsere Redaktion erarbeitet oder verarbeitet wurden, benötigt einen kostenpflichtigen Zugang (Abo/Tagespass). Bis vor Kurzem wurde durch das Radio Freiburg eine deutschsprachige Gratis-Newsplattform betrieben, welche in Konkurrenz zu unserem abopflichtigen Newsangebot stand. Das primär werbefinanzierte Angebot vom Radio war wirtschaftlich auch nach mehreren Jahren zu wenig erfolgreich. 

Also wurde die Plattform des Radios eingestellt?

Nein, nach kurzen und intensiven Gesprächen haben wir uns entschieden, gemeinsam mit dem Lokalradio eine neue zentrale Newsplattform für Deutschfreiburg zu lancieren, wobei die Mehrheit der News auf dieser Plattform kostenpflichtig ist. Die neue App und Website gingen mit der frischen Marke «wir Freiburg.» am 17. September diesen Jahres live. Gratis bleiben bei «wir Freiburg.» nur Radioinhalte und Serviceangebote wie Marktplätze und Eventagenda. Nun sensibilisieren wir gemeinsam die Region, dass digitale News in geografisch kleinen Räumen nicht gratis sein können und zeigen auf, welche Rolle der Lokaljournalismus für eine funktionierende Region spielt. Sei es für die Vereine, das Gewerbe, die Kulturveranstalter, die Politik oder die Behörden. 

Wie war das Feedback Ihrer Nutzerschaft auf die neue Plattform und auf die Paid-Content-Strategie?

Wir haben bisher durchwegs gutes Feedback auf die neue Plattform und App erhalten. Kritische Rückmeldungen betrafen einzelne spezifische Anwendungen. Kritik nehmen wir dankbar auf, ordnen sie von Seiten Marketing und Produktmanagement ein und entscheiden entsprechend, ob und in welche Richtung wir ein Feature weiterentwickeln. Am Schluss ist klar, nur wenn unser Digitalangebot im Alltag unserer Nutzer:innen Mehrwert stiftet, wird der Bereich Paid Content nachhaltig wachsen.

Werden aus Ihrer Sicht die digitalen Angebote von Medienhäusern durch dieses Audit der WEMF weiter an Schwung gewinnen?

Viele Verlagshäuser investieren bereits seit langer Zeit in die digitale Entwicklung und sind zum Teil schon weit fortgeschritten. Es herrscht meines Erachtens Konsens, dass die zukünftige Mediennutzung mehrheitlich über digitale Kanäle stattfinden wird. Aber gerade in der Schweiz, mit vielen lokalen Angeboten, hilft ein Audit, die Entwicklung in den Regionen einzuordnen und nach aussen glaubwürdig zu kommunizieren. Das Audit hilft dann, wenn es in der Branche Akzeptanz findet und sich viele Verlagshäuser beteiligen. Aufwand und Kosten dafür halten sich ja in einem überschaubaren Rahmen. 

Wie sehen Sie die Zukunft der bezahlten Online-Medien?

Wie angesprochen bin ich überzeugt, dass aktuelle News zukünftig über alle Segmente noch stärker über digitale Kanäle genutzt werden. Ich glaube auch fest daran, dass die Menschen langfristig über das lokale und regionale Geschehen informiert sein wollen. Diese Lokalnachrichten kann in strukturierter und glaubwürdiger Form nur eine lokale Redaktion liefern. Nun müssen wir Medienanbieter die Menschen überzeugen können, dass digitaler Journalismus genauso einen Preis hat, wie das im Print unbestritten ist. Das journalistische Handwerk ist das gleiche, die Instrumente sind jedoch andere. Der Aufwand ist digital höher, da wir 24/7 unterschiedliche Kanäle und Formate bespielen und laufend in neue Technologien investieren müssen. Demnach glaube ich an das Paid-Content-Modell, auch für Lokalmedien. Es ist jedoch noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten und wir müssen auch in den lokalen Märkten starke Produkte liefern, die Mehrwert stiften.

Vielen Dank für diese interessanten Ausführungen.

Protrait

Zur Person

Bruno Zürcher ist diplomierter Marketingmanager HF und verfügt über einen Executive MBA in Marketing Management von der Universität Bern. Seit sieben Jahren ist er bei der Freiburger Nachrichten AG tätig, wo er als Leiter Marketing und Verkauf sowie als Mitglied der Geschäftsleitung fungiert. Gemeinsam mit seinen Teams trägt er die Verantwortung für den Nutzer- und Werbemarkt des Verlags.